Die Falsche "Umwelt versus Gene" Argumentation

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In den Medien und anderen Quellen hört man häufig Aussagen wie: Diese menschliche Eigenschaft sei zu 70 % durch die Gene und zu 30 % durch die Umwelt bestimmt. Die Frage dahinter ist immer: Wie stark wird der Mensch oder eine seiner Eigenschaften durch die Gene und wie stark durch die Umwelt beeinflusst? Oder auch: Wie stark kann der Mensch oder seine Umwelt eine seiner Eigenschaften beeinflussen?

Ich denke aber diese Argumentation ist fehlerhaft, da die Wahrscheinlichkeiten in diesem Fall multipliziert werden müssen und nicht addiert.

Jeder kennt wahrscheinlich das Würfel Beispiel: Man hat einen Würfel mit den Zahlen von Eins bis Sechs, wobei jede Zahl mit gleicher Wahrscheinlichkeit gewürfelt werden kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass man eine Sechs würfelt ist dann 1/6 oder rund 0,1667 bzw. 16,67 %. Um die Wahrscheinlichkeit zu erhalten, dass man zweimal eine Sechs würfelt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass man einmal eine Sechst würfelt, mit sich selbst zu multiplizieren. Also ist die Wahrscheinlichkeit, dass zweimal in zwei Würfen eine Sechs gewürfelt wird, gleich 1/6*1/6=1/36 oder 0,0278 bzw. 2,78 % . Niemand käme wohl hier auf die Idee zu Addieren, das ergebe dann 1/3 oder rund 0,3333 bzw. 33,33 %, dass zweimal in zwei Würfen eine Sechs gewürfelt wird. Die Wahrscheinlichkeit zweimal ein Sechs zu würfeln wäre dann doppelt so hoch, wie die dass einmal eine Sechs gewürfelt wird. Da einmal eine Sechs zu Würfeln aber Voraussetzung dafür ist zweimal eine Sechs zu würfeln, kann dies nicht sein.

Mit diesem Vorwissen schauen wir uns mal den Gene versus Umwelt Sachverhalt an. Gehen wir mal von einem fiktiven Fall aus. Die Frage lautet: Wie Wahrscheinlich ist es, dass ein Mensch im Alter nach 40 Jahren aufgrund seines Herzens stirbt? Also das er Beispielsweise wegen einen Herzinfarkt mit 45 Jahren stirbt. Nehmen wir an die Forscher hätten einen sehr einfachen Zusammenhang gefunden: Der Mensch stirbt im Alter nach 40 Jahren aufgrund seines Herzens, wenn er die Gene G1 und G2 besitzt und in seiner Umwelt fettes Essen und wenig Bewegung ausgesetzt ist. Nennen wir jetzt die Wahrscheinlichkeit das ein Mensch im Alter nach 40 Jahren aufgrund seines Herzens stirbt: p( MHT ), fettes Essen: Ef und wenig Bewegung Bw . Die Wahrscheinlichkeit von etwas X ist p( X ), also Beispielsweise die Wahrscheinlichkeit für fettes Essen ist p( Ef ). Mit diesen Schreibweisen werden die Formeln wesentlich kürzer. Damit lässt sich nun die Wahrscheinlichkeit p( MHT ) wie folgt berechnen: p(MHT)= p( G1 ) * p( G2 ) * p( Ef ) * p( Bw ) Wenn nun G der Einfluss der Gene ist mit p( G )= p( G1 ) * p( G2 ) und U der Einfluss der Umwelt mit p( U) = p( Ef ) * p( Bw ), ist p(MHT)=p( G ) * p( U ). Der Einfluss der Gene und der Umwelt multipliziert sich also. Es wäre ja auch seltsam, wenn die Wahrscheinlichkeit für die Auswirkung (im Beispiel p( MHT ) ) größer wäre als die Wahrscheinlichkeit für eine der nötigen Bedingungen (im Beispiel p( G ) und p( U ) ).

Wenn aber die Frage ist: Wie stark wird der Mensch oder eine seiner Eigenschaften durch die Gene und wie Stark durch die Umwelt beeinflusst? Dann ist die Auswirkung A auf allen Möglichkeiten für die Eigenschaft bezogen. Auf das Beispiel bezogen wäre also die Frage: Wie stark wird, ob ein Mensch einen Herzinfarkt nach 40 bekommt oder nicht, durch die Gene und wie Stark durch die Umwelt beeinflusst? Die Wahrscheinlichkeit p( A ) "ob ein Mensch einen Herzinfarkt bekommt oder nicht" bzw. für alle Möglichkeiten für eine Eigenschaft A ist aber immer 1 bzw. 100%. Also p(A)=1=p( G ) * p( U ). Da p( G ) und p( U ) Wahrscheinlichkeiten sind und damit nur Werte zwischen 0 und 1 einnehmen können, ist die Lösung der Formel p( G ) = p( U ) = 1 . Also wirken sich sowohl die Umwelt als auch die Gene immer mit 1 bzw. 100 % , auf eine Eigenschaft aus.

Das Gene und Umwelt immer zu 100 % auf die Eigenschaften des Menschen wirken, kann auch leicht an Beispielen verdeutlicht werden. Sowohl die Umwelt als auch die Gene können Beispielsweise immer zu einem verzeitigen Tod führen. Welche Eigenschaft auch immer betrachtet wird, ein vorzeitiger Tod, kann sie wohl immer zu 100% beeinflussen. Im Mittelalter war Beispielsweise ein Tod durch Herzleiden in einem Alter nach 40 Jahren gar kein Thema, da das Durchschnittsalter bei rund 35 Jahren lag und die meisten Menschen schon vorher starben. Auch für Eintagsfliegen ist ein Herzleiden in einem Alter nach 40 Jahren kein Thema, selbst bei optimalen Umweltbedingungen. Die Gene von Eintagsfliegen erlauben einfach nicht, dass sie so alt werden.

Bestimmte Gene oder Umwelteinflüsse können also nur bestimmen, mit welcher Wahrscheinlichkeit es zu einer bestimmten Eigenschaftsausprägung (z.B. eine Körpergröße über 180 cm) kommt. Jede Eigenschaft wird aber durch 100% sowohl durch die Gene als auch durch die Umwelt bestimmt.